Oberösterreichische Nachrichten
Mord und Mordversuch lautet die Anklage

07.06.1995

Japanischer Sektenführer Ashara findet keinen Anwalt


Mord und Mordversuch lautet die Anklage gegen Shoko Asahara (40), den Führer der Sekte Aum Shinri Kyo (Höchste Wahrheit). Sechs weitere Sektenmitglieder wurden gestern wegen Mordes angeklagt. Sie sollen den Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn am 20. März begangen haben, bei dem 12 Menschen starben und mehr als 5000 verletzt wurden.

Der Guru gilt als Anstifter der Tat. Die Polizei geht davon aus, daß drei der Angeklagten Plastikbeutel mit dem tödlichen Nervengas Sarin in den U-Bahn-Zügen verteilten und aufstachen. Shoko Asahara behauptet, von dem Attentat nichts gewußt zu haben. Er wird jedoch von seinen eigenen Leuten schwer belastet. Der "Gesundheitsminister" der Sekte, Seiichi Endo, sagte aus, Asahara habe ihm zwei Tage vor dem Anschlag in Tokio befohlen, Saringas herzustellen. Nach dem Anschlag soll Asahara gesagt haben: "Ich freue mich, daß so viele Menschen durch das Giftgas getötet und Gott Shiva geopfert wurden." Die Sekte verehrt den hinduistischen Gott Shiva als "Gott der Zerstörung".

"Geheimdienstchef" plante den Anschlag

Auch der "Geheimdienstchef" der Sekte, Yoshihiro Inoue, wurde wegen Mordes angeklagt. Er hat zugegeben, den Anschlag im Detail geplant und zu haben. Insgesamt 34 Sektenmitglieder wurden wegen Mordverdachts verhaftet. Das U-Bahn-Attentat ist nicht der einzige Mord, der den Sektenmitgliedern angelastet wird. Vor einem Jahr starben bei einem Giftgasanschlag im zentraljapanischen Matsumoto sieben Menschen. Anfang des Jahres soll Asahara seinen Leuten befohlen haben, einen entführten Sektengegner zu töten. Der Leibarzt des Gurus, Tomomitsu Nakazawa, gestand gestern, Sektenanhänger hätten dem entführten Notar Drogen gegeben, der Mann sei daraufhin gestorben. Auch der Mord an einem Rechtsanwalt, dessen Frau und einjährigem Sohn soll auf das Konto der Sekte gehen, ebenso das Attentat auf den japanischen Polizeichef am 30. März. Der Guru hat noch keinen Verteidiger gefunden. Sein früherer Rechtsanwalt sitzt ebenfalls. Anwälte weigern sich, den Sektenführer zu verteidigen, weil sie um ihren guten Ruf fürchten. Im Herbst soll der Prozeß gegen Asahara stattfinden. Sollte er wegen Mordes verurteilt werden, droht ihm die Todesstrafe.

07.06.1995 / Tina Stadlmayer

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