Franz Maget kämpft gegen den Totalabsturz der Bayerischen SPD

16.09.03

Nur die Hälfte der Wähler kennt den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten · Angst vor einer CSU-Zweidrittelmehrheit · Hoffnung auf Mobilisierung der Unentschlossenen


Von Tina Stadlmayer

Die SPD hat keinen Grund zur Mutlosigkeit. Es steht doch fest, dass sie bei der Landtagswahl 30 Prozent minus x holt – die Frage ist nur, ob x einstellig ist Die SPD hat keinen Grund zur Mutlosigkeit. Es steht doch fest, dass sie bei der Landtagswahl 30 Prozent minus x holt – die Frage ist nur, ob x einstellig ist oder zweistellig.“ Die Zuschauer auf dem Adolf-Kolping-Platz in Dillingen an der Donau lachen über diesen Spruch der Liedermacher „Die Mehlprimeln“. Vor der Bühne, am einfachen Biergartentisch sitzen die, an die sich der Wirt wendet: Bundeskanzler Gerhard Schröder, seine Frau Doris Schröder-Köpf und der Spitzenkandidat der bayerischen SPD, Franz Maget. Die finden den Scherz weniger gelungen.

Wenige Tage vor der bayerischen Landtagswahl ist der Kanzler mit seiner Frau angereist, um dem SPD-Spitzenkandidaten den Rücken zu stärken. Das ist bitter nötig, denn die jüngste Forsa-Umfrage sagt der SPD eine verheerende Niederlage voraus: 61 Prozent für die CSU und nur 20 Prozent für die SPD. Das könnte eine Zweidrittelmehrheit für die CSU im Landtag bedeuten. Deshalb warnt Franz Maget jetzt bei seinen Wahlkampfauftritten: „So eine erdrückende Mehrheit einer Partei ist schlecht für die Demokratie – sie schränkt die Kontrollrechte des Parlaments ein und fördert Filz und Machtmissbrauch.“ Der Spitzenkandidat hat sein ursprüngliches Ziel längst aufgegeben: Noch im Juli wollte er das SPD-Ergebnis der letzten Landtagswahl von 28,7 Prozent verbessern. Trotzdem gibt er sich weiter kämpferisch – was bleibt ihm auch anderes übrig.

„Das Ergebnis wird deutlich besser sein als das, was jetzt vorausgesagt wird – viele Menschen sind noch unentschlossen, die gilt es noch zu gewinnen“, ruft er in Dillingen ins Mikrofon. Seine Hoffnung: Die drohende Zweidrittelmehrheit der CSU werde die Unentschlossenen in letzter Minute doch noch dazu bewegen, ihr Kreuz bei der SPD zu machen.

Doch Maget kämpft in Bayern nicht nur gegen eine übermächtige CSU, die seit 45 Jahren ohne Unterbrechung regiert. Er kämpft auch gegen die Ängste und die Verärgerung, die die rot-grünen Reformen bei den Renten, im Gesundheitssystem und in der Arbeitsmarktpolitik unter den Leuten ausgelöst hat. Der Kanzler weiß das und versucht den Dillingern die Notwendigkeit erklären: „Wenn wir unseren Wohlstand wahren wollen, müssen wir Geld frei kriegen für die Zukunftsaufgaben.“

Die meisten Dillinger sind sowieso nicht wegen der Landtagswahl gekommen. Sie wollen den Kanzler sehen und natürlich seine Frau Doris, die hier neun Jahre lang auf das Gymnasium ging. „Die Zeit hier gehört zu den schönsten Jahren meines Lebens“, schwärmt die Kanzlergattin. Jeder Bayer kennt Doris, aber nur wenige kennen Franz Maget.

Der SPD-Mann ist eine Art Anti-Stoiber. Im Gegensatz zum unnahbaren und ernsten Ministerpräsidenten geht er offen auf die Menschen zu, ist fröhlich und eloquent. Trotzdem: Auch nachdem er 25 000 Kilometer mit seinem Wahlkampfbus durch Bayern getourt ist und fast 500 Wahlkampftermine erledigt hat, weiß nur die Hälfte der Bayern, wer er ist. „Wenn die mich alle wählen, reicht es schon“, witzelt er. Mit Maget tritt erstmals seit Jahrzehnten ein Oberbayer als SPD-Spitzenkandidat an. Die Parteistrategen hoffen, dass dies der Partei im Süden, wo ein Drittel der Wähler wohnt, zusätzliche Stimmen bringt. Denn außerhalb der vom beliebten SPD-Oberbürgermeister Christian Ude regierten Landeshauptstadt München fristet die SPD ein trauriges Dasein als Splitterpartei. Auf dem Lande wählen die Leute die CSU.

Mit dem Slogan „Bayern gewinnt“ will sich die SPD jetzt „mit dem Lebensgefühl Bayerns“ identifizieren. Immerhin werden die meisten größeren bayerischen Städte von SPD-Bürgermeistern regiert. Die Sozialdemokraten haben es aber nicht geschafft, die Arbeit ihrer Kommunalpolitiker bei Landtagswahlen in Wählerstimmen umzumünzen. Denn die Partei ist gespalten zwischen pragmatischen Kommunalpolitikern und dem linken Parteiflügel, dem viele Landtags- und Bundestagsabgeordnete angehören.

Die Regierung bietet der SPD kaum Angriffsfläche. Trotz zahlreicher Großpleiten liegt die Wirtschaft im Vergleich der Bundesländer mit an der Spitze. „Das größte Problem für die SPD in Bayern ist, dass die Wirtschaftspolitik trotz einzelner Schwächen hier nach wie vor als sehr positiv wahrgenommen wird“, sagt Andreas Kießling, Parteienforscher an der Uni München.

Die Bundespolitik steht in deutlich schlechterem Ansehen, und Maget hat Mühe, die Ängste der Arbeitnehmer und die Probleme der Unternehmer gleichermaßen aufzunehmen. Einen kurzen Moment lang merkt man ihm die Erschöpfung an, als er sich auf der Rückfahrt vom Wahlkampftermin in einen weichen Sessel zurücklehnt: „Die Verunsicherung bei den Leuten ist groß. Es gibt wirklich bessere Zeitpunkte für Landtagswahlen.“

Aber dann rappelt er sich schnell wieder auf. Am Abend hat er noch einen Auftritt in seinen Stimmkreis im Münchener Norden. Dort hat der studierte Sozialwissenschaftler sein Landtagsdirektmandat zweimal erfolgreich gegen Kultusministerin und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier verteidigt. „Die Schwarzen kommen so arrogant daher, als hätten sie den Chiemsee eigenhändig ausgehoben und damit die Alpen aufgeschüttet“, ruft er im Theaterzelt. „Wir wollen raus aus der Kernenergie, Bildung für alle und keine Ausgrenzung von Minderheiten!“ Dann soll er gemeinsam mit seinen Freunden von der Gruppe „Biermösl Blosn“ ein Lied siegen. „Wer Ministerpräsident werden will, muss des schaffen“, meinen die Musiker. Für die Gesangsdarbietung bekommt der Franz einen Riesenapplaus. Zumindest im Theaterzelt ist ihm die Zweidrittelmehrheit sicher.

14.05.2012 / Tina Stadlmayer

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